Der erste Impuls von Projektleiter*innen besteht oft darin, erst einmal abzuklären, ob das Projekt eher mit einem linearen, einem agilen oder hybriden Vorgehensmodell umgesetzt werden soll. Hierzu wird zunächst der Projektkontext anhand sogenannter Parameter bestimmt. Bei der im Juni 2021 durchgeführten D-A-CH Forschungswerkstatt zeigte sich wieder deutlich, dass die bisher für diese Entscheidungen genutzten Parameter bestenfalls eine vage Tendenz, aber keine klare Empfehlung für ein konkretes Vorgehensmodell liefern.

Hierzu wurde den anwesenden Expert*innen ein beispielhafter, fiktiver Projektkontext angeboten. Die roten Punkte zeigen, welche Parameterausprägungen auf das Beispielprojekt zutreffen. Die Ausprägungen im Kreisinneren sprechen eher für ein lineares Vorgehensmodell, die Ausprägungen am Kreisrand hingegen eher für ein agiles Vorgehensmodell.

Projektparameter

Abbildung 1: In Anlehnung an Paukner, Manuel; Seel, Christian; Timinger, Holger (2018): Projektparameter für das Tailoring hybrider Projektmanagementvorgehensmodelle. In: Thomas Barton, Frank Herrmann, Vera Meister, Christian Müller, Christian Seel und Ulrike Steff

 

Wann nutzt man welche Vorgehensweise?

Da fünf Parameter für die Nutzung eines agilen und nur drei Parameter für die Nutzung eines linearen Vorgehensmodells sprachen, war das Profil nicht eindeutig, aber mit einer Tendenz zu einem agilen Vorgehensmodell ausgestattet. Die Teilnehmer*innen entschieden für das Projekt dann anonym und unbeeinflusst von Anderen, welche Projektmanagementphilosophie sie für das Projekt bevorzugen würden. Begründungen für die "richtige" Wahl der Vorgehensmodelle gab es im Workshop viele. Für eine agile Vorgehensweise sprechen beispielsweise "komplexe, unsichere und sich verändernde Bedürfnisse" oder "wenn es darum geht schnell Ergebnisse zu erzeugen und das Projektumfeld nicht stabil ist". Für eine lineare Vorgehensweise sprechen eine "hierarchische Unternehmenskultur", die "Stabilität der Anforderungen, feste Teamzuordnung" oder "Standards in der Organisation". Eine hybride Vorgehensweise wäre sinnvoll, wenn man die "Vorteile beider Ansätze nutzen" möchte, weil beispielsweise die Ausrichtung der Organisation, die hohe Komplexität oder instabile Anforderungen" gegeben sind. Darüber hinaus erlauben es hybride Methoden "individuell, basierend auf den Bedürfnissen des Teams und der Projektziele, eine Vorgehensweise zu kreieren".

Dennoch: Selbst wenn sich alle Teilnehmer*innen hinsichtlich der Gründe einig gewesen wären, hätte aus den Parameterausprägungen noch kein konkretes Vorgehensmodell abgeleitet werden können. Aus diesem Grund wurde die SIMOC Methode entwickelt. Sie ist auf der Ebene der Methoden wirksam. Methoden werden als Bausteine für Vorgehensmodelle verstanden. Zum Vorgehensmodell Scrum gehören z.B. die Methoden Daily Scrum und Retrospektive.

 

Die SIMOC Methode

SIMOC steht für Supplier, Input, Method, Output, Customer. Eine Methode benötigt Input (z.B. Daten und Dokumente), um angewandt werden zu können und generiert bei ihrer Umsetzung Output. Andere Methoden (die Supplier und Customer) liefern entweder den benötigten Input oder verarbeiten den generierten Output weiter. Ein Beispiel für eine solche Input- Output- Beziehung wurde im Rahmen einer Veröffentlichung (siehe Quellenangabe im Bild) konstruiert:

Input-Output-Beziehung

Abbildung 2: Input- Output-Beziehung nach Königbauer, M. (2020): Hybride Vorgehensmodelle strukturiert überprüfen oder neu entwickeln; Projektmagazin, Ausgabe 24/2020

 

Um SIMOC anwenden zu können, müssen zunächst alle zur Verfügung stehenden Methoden nach Projektmanagementprozessen sortiert werden. So werden Methoden-Cluster für beispielsweise die Prozesse „Projekt starten“, „Projekt planen“ und „Fortschritt verfolgen“ gebildet. Aus jedem Cluster soll die am besten zum Kontext passende Methode für den nächsten Schritt selektiert werden. Hierzu werden die Methoden je Prozess nach ihrer Passung zum Kontext gerankt.

Im nächsten Schritt werden dann alle selektierten Methoden paarweise gegenübergestellt und darauf überprüft, ob sie über Input-Output-Beziehungen miteinander verknüpft werden können.

Wenn ja, können die Methoden in das Vorgehensmodell aufgenommen werden. Bei Methoden, die nicht aufgenommen werden können, wird überprüft, ob die Methode mit dem nächstgeringeren Ranking verbunden werden kann.

Das Prinzip ist einfach, aber effektiv, denn es verhindert, dass „auf Biegen und Brechen“ Methoden in einem Vorgehensmodell kombiniert werden, die keine Anknüpfungspunkte haben.

Wer sich für Details zum Methodenranking, SIMOC bzw. der semi-automatisierten Version hierzu interessiert, kann folgende Quellen heranziehen:

  • Königbauer, M. (2021): Opportunities and limits in designing an individual hybrid process model for project management, Beitrag auf der IEEE E-TEMS 2021 in Dortmund
  • Königbauer, M. (2020): Hybride Vorgehensmodelle strukturiert überprüfen oder neu entwickeln; Projektmagazin, Ausgabe 24/2020
  • Königbauer, M., Dissertation, Veröffentlichung Ende 2021/ Anfang 2022

 

Weitere Hinweise und Veröffentlichungen finden Sie außerdem im Blog von Martina Königbauer.

Martina Königbauer

Martina Königbauer bearbeitet seit 2003 nationale und internationale Projekte unterschiedlicher Branchen und Größenordnungen in Industrie, Forschung und Beratung. Seit 2015 ist sie selbstständige Unternehmensberaterin, Trainerin und Coach. Ihr Fokus liegt auf interdisziplinären Projekten sowohl mit Hardware- als auch Softwareausrichtung. Dabei nimmt sie je nach Problemstellung die Rolle der Projektleiterin, Organisationsentwicklerin, Prozessberaterin oder Moderatorin ein. Seit 2011 ist sie Hochschullehrbeauftragte für Systems Engineering, Intercultural Aspects sowie agiles, traditionelles und hybrides Projektmanagement in Bachelor-, Master und MBA Programmen der Fakultäten Informatik, BWL und Wirtschaftsingenieurwesen. Beim TÜV-Süd ist sie als Trainerin für Kanban-Professional Zertifizierungen aktiv. Zudem engagiert sie sich als Mitglied im Programmkomitee des PM Forums.


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